Der virale Darm

Wo man auch hinblickt, Nachrichten und Ratgeber rund um den Darm sind zumindest in Gesundheitsfragen allgegenwärtig geworden. Man könnte da glatt von einem viralen Phänomen sprechen. Natürlich geht es vor allem um die Bewohner des Darms, die vielen Milliarden Bakterien, mehr Organismen als wir Zellen im Körper haben: Unser Mikrobiom.

Und all diese Bakterien tragen in sich ein überraschendes Geheimnis: Ihr eigenes Mikrobiom.

Eine jüngst veröffentlichte Studie legt die Vermutung nahe, dass manche Viren, die sich im Darm aufhalten, tatsächlich gut für unsere Gesundheit sind. Nun ist es nicht so, als würden diese Viren frei und ungebunden im Darmtrakt umher schweben. Tatsächlich haben sie ihr Lager IN den Bakterien aufgeschlagen, die wiederum in unserem Darm hospitieren.

Bakteriophagen – die Untermieter der Mikroben

Die roten Bakteriophagenbenutzen ihre "Beine" um sich an einer blauen Bakterienzelle festzuhalten und sie zu infizieren.

Die roten Bakteriophagenbenutzen ihre „Beine“ um sich an einer blauen Bakterienzelle festzuhalten und sie zu infizieren. Quelle: Biophoto Associates/Science Source

Diese besonderen viralen Mitbewohner nennt man Bakteriophagen. Bis vor kurzem wurden sie von Forschern eher ignoriert, einerseits aus Mangel an technischen Möglichkeiten, andererseits weil sie keine Probleme zu verursachen scheinen.

Das bringt sie in der Agenda der Virenforscher eher auf die hinteren Plätze.

Aber in der neuen Studie wurde der Ansatz umgedreht: Müssen Viren grundsätzlich schädlich sein? Oder gibt es nicht auch Szenarien, bei denen Viren unsere Gesundheit fördern?

Dafür wurden die Gene von Bakteriophagen im Darm zweier Probanden analysiert und mit den Ergebnissen einer vorherigen, weitaus größeren Studie kombiniert, an der 160 Menschen teilnahmen. In der großen Studie hatte ein Drittel einen gesunden Darm. Die übrigen hatten chronische Darmkrankheiten – Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa.

In der kombinierten Ergebnissen konnte das Team 23 Bakteriophagen identifizieren, die mit einem gesunden Darm in Verbindung stehen können, da sie bei den kranken Teilnehmern stark unterrepräsentiert waren.

Helfen diese Viren unserer Gesundheit?

Zu diesem Zeitpunkt ist allein schon wegen der noch überschaubaren Zahl der Studienteilnehmer allerdings Vorsicht geboten, schreibt auch der Mikrobiologe Jonathan Eisen, ein kritischer Beobachter des wachsenden Hypes um das Mikrobiom.

Es sei an sich großartig, dass diese Art der Viren in Menschen gefunden wurden. Aber das Problem sei, dass man nicht versucht hat, die menschliche Bevölkerung repräsentativ abzubilden. Man hat weder indigene Völker untersucht, noch nach Alter oder Geschlecht getrennte Gruppen erstellt.“ Außerdem spiele ja auch die Ernährung eine große Rolle.

Tatsache aber ist, dass die Diversität in unserem Darm mit diesen Erkenntnissen noch deutlicher geworden ist. Beeindruckender. Vielschichtiger. Und darum auch noch schwerer zu fassen. Und es sind noch viele detailliertere Studien notwendig, um Licht ins sprichwörtliche Dunkel des Darms zu bringen.

Manche Forscher vermuten, dass Bakteriophagen darüber bestimmen welche Bakterien im Darm gedeihen, und welche Platz machen müssen, weil die Viren sie angreifen. Bakteriophagen können effektive Killer sein.

„Bakteriophagen können eine Bakterie übernehmen, sich selbst vielfach klonen, aus der Zelle ausbrechen und die Zelle töten“, so Eisen.

Diese Eigenschaft könnten Ärzte eines Tages zum Guten einsetzen, um bakterielle Infektionen mit Hilfe von Viren zu bekämpfen. Bleibt zu hoffen, dass die Viren dann aber nicht über ihr Ziel hinausschießen…

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