Lebende Mikroorganismen (sogenannte Kulturen) in Lebensmitteln wie z. B. Jogurt sind längst in unserem Alltag angekommen. Und wenn die Bakterien im Jogurt dafür sorgen können, dass im Magen- und Darmtrakt weniger Entzündungen auftreten, warum sollten die Mikroorganismen nicht auch der Haut etwas Gutes tun?
Seit Forscher erkannt haben, dass die entzündungshemmende Wirkung von Bakterien auch das Hautbild verbessern kann, strebt die Wissenschaft nach neuen Erkenntnissen in Sachen bakterienhaltiger Kosmetik, die sich direkt auf die Haut auftragen lässt.
Welche Formen bakterienhaltiger Kosmetik gibt es?
Probiotische Kosmetika – Bakterien in der Hautcreme
Sobald sich Bakterien oder extrahierte einzelne Stränge aus einem Bakterium in einem kosmetischen Produkt – beispielsweise eine Hautcreme – befindet, spricht man von probiotischer Kosmetik.
Von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden Probiotika folgendermaßen definiert: „Probiotika sind lebende Mikroorganismen, die dem Wirt [in diesem Fall also dem Menschen] einen gesundheitlichen Vorteil bringen, wenn sie in ausreichender Menge aufgenommen werden.“ Schon 2011 legten Forscher Ergebnisse vor, die belegen, dass „gute“ Bakterien und die Fasern, von denen diese sich ernähren, zu einer Verbesserung der Hautgesundheit beitragen und u. a. Akne heilen und verhindern.
Dr. Farage Al-Ghazzewi, der 2011 für das schottische Unternehmen Glycologic Limited zu dieser Erkenntnis gelangte, erklärt: „In kosmetischen Zusammensetzungen benennt die Bezeichnung probiotisch die unterstützende Mikroflora, die die natürliche Bakterienflora der Haut optimieren, erhalten und wiederherstellen kann.“
Problematisch an diesem Ansatz sei allerdings, so Al-Ghazzewi weiter, dass die umweltbedingte Beschaffenheit der Haut eine Kolonisation der Bakterien weitestgehend verhindere.
Präbiotische Kosmetika – Doping für Bakterien
Präbiotika dagegen werden als „nicht verdauliche Substanzen“ bezeichnet, die einen „nützlichen physiologischen Effekt auf den Wirt ausüben, indem sie das Wachstum oder die Aktivität der vorhandenen Bakterien selektiv stimulieren“. Kurz gesagt: Präbiotika sind vor allem dazu da, das Wachstum der Probiotika zu unterstützen.
Vor allem Probiotika werden zur Zeit in kosmetischen Produkten verarbeitet, weil sie der Haut nachweislich ein glatteres Äußeres verleihen. Während einige Präparate lediglich probiotische Bakterien einsetzen, fokussieren sich andere Marken wie beispielsweise Gallinee auf die Bakterien, die natürlicherweise auf der Haut leben und die Normalflora in Balance halten.
Indem Gallinee Probiotika mit Präbiotika und Milchsäure (auch als Postbiotika bezeichnet) kombiniert, will das junge Unternehmen die Gesundheit der Haut gleich auf dreifache Weise verbessern.
Die Wissenschaft ist der guten Seite der Bakterien auf der Spur
Die Forschung befindet sich auf dem Feld der Bakterienforschung im Wandel. Nachdem jahrzehntelang vor allem die negativen Effekte von Bakterien untersucht wurden, stehen nun die positiven Eigenschaften der Mikroorganismen, die in und auf unserem Körper leben, im Rampenlicht.
Einer Studie aus dem Jahr 2014 zufolge konnten Wissenschaftler der Firma AOBiome ein Bakterium extrahieren, das das Hautbild verbessert. Das Bakterium Nitrosomonas eutropha wandelt Ammonium in Nitrit um und kommt natürlicherweise hauptsächlich im Erdboden vor.
Mit einer zu Testzwecken hergestellten Suspension – ein Gemisch einer Flüssigkeit, in der feine Partikel schweben – konnten sie mithilfe einer Testgruppe herausfinden, dass sich bei den Testpersonen nach 3 Wochen Benutzung für die Gesichts- und Kopfhaut eine deutliche Verbesserung des Hautbilds zeigte.
Dr. Larry Weiss, Mediziner von AOBiome sagte dazu: „Die Studie zeigt, dass lebende Organismen vom Typ Nitrosomonas vom Körper gut angenommen werden und sich als ein neuer, selbst-regulierender Wirkstoff eignen könnten, der das Hautbild verfeinert.“
Bakterienhaltige Ernährung und Kosmetik gegen chronisch-entzündliche Hautkrankheiten – ist das die Zukunft?
Dr. Whitney Bowe, die bereits wichtige Forschungsergebnisse auf diesem Feld publiziert hat, erklärt:
„Sowohl die innere als auch die äußere Anwendung von Bakterien hat gezeigt, dass sich das Hautbild deutlich verbessert. Sie verlangsamen die Hautalterung und helfen bei der Heilung chronischer Hauterkrankungen wie Akne, Rosazea oder Hautausschlag.“
Bowes Forschungsansatz ist allerdings nicht ausschließlich auf den Einsatz von Bakterien ausgerichtet, sondern ganzheitlich orientiert und bezieht auch die Lebensmittel, die wir zu uns nehmen und die Art, wie diese verdaut werden, mit in die Überlegungen ein – denn dies scheint einen nicht gerade kleinen Einfluss auf das Hautbild zu haben.
„Der Verdauungstrakt und unsere Haut sind eng miteinander verbunden“, sagt Bowe. „Wir wissen, dass veredelte Kohlehydrate und ballaststoffarme Lebensmittel die Verdauung und die Darmbeweglichkeit extrem verlangsamen. Wenn das passiert, entsteht eine Verschiebung der Bakterien, die im Darm leben. Moleküle, die eigentlich in der Darmwand bleiben sollten, sickern sozusagen ins Blut. Wenn sie im Darm fehlen, entstehen Entzündungen und auch die Haut kann durch entzündliche Erscheinungen betroffen sein.“ Diese sind erkennbar in Form von Akne, Rötungen oder trockenen Stellen.
Mit anderen Worten: Du bist, was du isst. Aber über eine Ernährung, die probiotische Moleküle enthält, hinaus können Bakterien auch das Hautbild direkt positiv beeinflussen: Topisch, d. h. lokal in Form einer Creme oder Suspension angewendet, verbessern sie ebenfalls die Gesundheit der Haut.
Kosmetik-Marken haben den Nutzen von Bakterien erkannt
Im Bereich der Kosmetik haben viele Marken inzwischen erkannt, dass insbesondere Probiotika womöglich die Zukunft der Hautpflege sind: Neben Firmen wie Aurelia und Éminence, die ausschließlich organische bzw. probiotische Kosmetik herstellen, greifen auch bekannte Marken wie Clinique auf probiotische Technologien zurück und erweitern ihr Sortiment um Produkte, die durch bakterielle Inhalte das Hautbild verbessern sollen.
Allerdings wird in probiotischer Kosmetik bislang nur bedingt auf die lebenden Bakterienkulturen zurückgegriffen, die wir aus dem Jogurt kennen. Stattdessen verwenden die meisten Anbieter lediglich einzelne, aus dem Bakterium extrahierte Stränge oder Stoffwechselprodukte der Bakterien. Bislang konnte die Forschung keinen Beweis erbringen, dass lebende Bakterien einen größeren Einfluss auf die Gesundheit der Haut hätten als diese Extrakte. Sollte aber in naher eine entsprechende Entwicklung stattfinden, könnten auch die Kosmetika bald lebende Bakterien verwenden.
Und noch eine Frage treibt die Wissenschaftler an: Welches Bakterium hat den besten Effekt auf unsere Haut? Indem mehr und mehr Bakterien als geeignet klassifiziert werden, das Hautbild zu verbessern, könnten in nicht allzu ferner Zukunft individuelle Probiotika zusammengestellt werden – sozusagen eine maßgeschneiderte Kur für die individuellen Hautprobleme einzelner Personen.
Übersicht Probiotische Kosmetika
Liste von Kosmetikmarken, die probiotische Wirkstoffe einsetzen:
- ibiotics (https://microbiotics.de/probiotische-kosmetik-ist-nicht-nur-in-hollywood-trend-neue-hautpflege-serie-ibiotics-ueberzeugt-mit-hightech-wirkstoff-aus-milchsaeurebakterien/)
- Aurelia (https://www.aureliaskincare.com/index.php/science-qa/#gs.BB4DH4s) | Produkte von Aurelia
- Éminence (https://eminenceorganics.com/ca/content/organic-biodynamic-philosophy)
- Tula (http://tula.com/technology/)
- Clinique
- Gallinee (http://www.gallinee.co.uk/meet-your-microbiome/) | Produkte von Gallinee
- AOBiome / Motherdirt (http://www.motherdirt.com/rethink-health&s=n)| Produkte von AOBiome