Bekommen wir bald Probiotika, die WIRKLICH heilen?

Heute spricht jeder über Darmbakterien, die sich längst aus der Tabu-Zone befreit haben. Egal, um welche Krankheit es geht, irgendwo hat irgendjemand schon mal davon gehört, dass sie mit einem probiotischen Nahrungsergänzungsmittel geheilt werden kann. Aber was bewirken die nicht von den Gesundheitsbehörden kontrollierten Mittelchen, die einen einzelnen Bakterienstrang aus sogenannten „guten“ Darmbakterien enthalten, wirklich? Können sie Krebs, Zwangsneurosen oder Pilzinfektionen heilen?

Bislang gibt es nur wenig Beweise dafür, dass Probiotika dem Körper wirklich etwas Gutes tun. „Es wird eine Menge versprochen, aber es gibt nur wenig Belege aus der Wissenschaft“, sagt Cliff McDonald, der stellvertretende Forschungsdirektor in der Abteilung für Gesundheits- und Qualitätsförderung des Centers for Disease Control and Prevention, das vergleichbar ist mit dem deutschen Robert-Koch-Institut.

Auf den großen Versprechungen der Industrie basiert ein 34 Milliarden Dollar-Markt, von dem allein 6 Milliarden auf Nahrungsergänzungsmittel entfallen: Diese Zahlen veröffentlichte BBC Research vor kurzem. Den größten Anteil auf dem Probiotika-Markt nahmen mit 24,8 Milliarden Dollar demnach Nahrungsmittel und Getränke ein.

Biotechnologie mit wissenschaftlich belegbaren Ambitionen

Es geht aber auch anders: Das amerikanische Biopharmazeutik-Unternehmen Seres Therapeutics, führend auf dem Sektor der Mikrobiom-Forschung, entwickelt ein Medikament, das das chronische Auftreten von Clostridium difficile, einem aggressiven Darmbakterium, in den Griff zu bekommen. Während das an sich harmlose Bakterium im gesunden Menschen keinerlei Schaden anrichtet, produziert es bei übermäßiger Vermehrung Gifte, die zu einer lebensbedrohlichen Durchfallerkrankung führen können.

C. diff. kann sich ungehindert ausbreiten und zur Gefahr werden, wenn andere Darmbakterien z.B. durch Antibiotika zurückgedrängt werden.

Seres geht mit wissenschaftlichem Anspruch an die Entwicklung seiner probiotischen Behandlungsmethode für C. diff. Das Ziel: Eine Pille herzustellen, die eine Darmspiegelung unnötig macht. So wie andere Probiotika handelt es sich auch bei diesem Produkt um eine Behandlung mit Bakterien – doch im Gegensatz zu dem, was sonst noch auf dem Markt angeboten wird, wird es von der Arzneimittelzulassungsbehörde kontrolliert und offiziell zugelassen sein, sobald es auf den Markt kommt. Mehr als 50 Bakterienstränge, deren Erfolg in der Behandlung von C. diff. wissenschaftlich nachgewiesen ist, werden in dem Medikament enthalten sein. Anders als für die nicht anerkannten Ergänzungsmittel soll für die Seres-Pille ein ärztliches Rezept notwendig werden.

Das Produkt, dass die C. diff.-Erkrankung heilen soll, nennt sich SER-109 und ist das Flaggschiff des Unternehmens. Anstelle von aufwendigen und schmerzhaften Stuhl-Transplantationen sollen nur vier oral einzunehmende Kapseln neue Möglichkeiten der ärztlichen Behandlung von Darmerkrankungen eröffnen.

Obwohl Stuhlproben als Rohmaterial für die Entwicklung der Pille genutzt wurden, enthält das fertige Produkt nur noch die extrahierten und gereinigten Bakterienstränge, die nötig sind, um die Infektion zu behandeln.

Die Behandlung von C. diff. ist erst der Anfang

Den aktuellen Entwicklungen zufolge wird SER-109 mit großer Wahrscheinlichkeit das erste zugelassene Medikament sein, das eine orale Behandlungsmethode für Darmkrankheiten bietet. Bislang hat Seres Therapeutics jedoch noch keinen Termin für die Markteinführung bekannt gegeben. Andere Unternehmen wie Second Genome arbeiten ebenfalls mit Druck an der Zulassung eigener Probiotika, doch wird Seres vermutlich das Rennen machen.

Mit der C. diff.-Pille gelingt Seres der Einstieg in den Markt der zugelassenen probiotischen Medikamente. Doch das ist erst der Anfang, sagt Geschäftsführer Roger Pomerantz. „Wir haben quasi die am niedrigsten hängende Frucht zuerst gepflückt.“ Das Unternehmen hat bereits eine eigene Datenbank mit mehr als 14.000 Bakteriensträngen der menschlichen Darmflora angelegt. Auf dieser Grundlage will man in Zukunft Behandlungsformen entwickeln, die möglicherweise nicht einmal mehr die Verwendung von Fäkalien erfordern.

Auf der Liste der Nachfolgeprodukte stehen u.a. SER-287, ein Medikament gegen Colitis ulcerosa, und SER-262, das erste Erscheinungsformen von C. diff. behandeln soll, bevor es chronisch wird.

Seres hat also den Beginn der Reise schon hinter sich, aber große Ziele werfen ihre Schatten voraus. Sollte die C. diff.-Pille Erfolg bringen, wird man gemeinsam mit Partnern am Massachusetts General Hospital, der Mayo Klinik und dem Memorial Sloan Kettering Cancer Center auf die Suche nach Behandlungsmöglichkeiten für Fettleibigkeit, Lebererkrankungen und Krebs gehen.

„Wir werden im kleinsten Detail herausfinden, was mit der Darmflora nicht stimmt, ein Medikament entwickeln und dann die störenden Organismen entfernen, ohne jemals eine menschliche Stuhlprobe anzurühren“, sagt Pomerantz.

1 Kommentar

  • 28. März 2017
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    Hallo Tim!
    Dieser Artikel ist interessant!

    Allerdings verspricht sich die Forschung zu viel, wenn sie nur mit der Gabe von Probiotika manifestierte Krankheiten heilen will oder dies in Aussicht stellt. Krankheiten haben immer mehrere Ursachen, und sehr viele Krankheiten haben die Basis in der Verschlackung der extrazellulären Matrix, auch Bindegewebe genannt. Ein geschädigter Darm ist für die gesamte gesundheitliche Situation natürlich schlecht. Nahrungsmittel-Allergien oder -Unverträglichkeiten können Entzündungen an der Darmschleimhaut hervorrufen, die bis zum Leaky gut fortschreiten können. Das Immunsystem wird dadurch ständig übertriggert, was belastend und Energie raubend ist.

    Erreger Belastungen wie z.B. durch Candida sind für das Immunsystem auch belastend. Auch jede stille Entzündung raubt dem Körper Energie, die dann zur Heilung der Hauptbelastung fehlt. Als Beispiel, nur Probiotika einzunehmen, ohne Ernährungsumstellung wird bei einer starken Candida-Belastung nicht zielführend sein. Auch die Einnahme von Nistatin, Oreganoöl, Teebaumöl oder anderen Nahrungsergänzungsmitteln wird in vielen Fällen helfen. Bei der Heilung von Krankheiten sollte immer ein ganzheitsmedizinischer Ansatz gewählt werden!

    Zum Probiotika Markt: Es gibt gute und getestete Probiotika, und es gibt schlechte. Wenn man nicht weiß welche man kaufen soll, sollte man sich gut informieren. Die Qualitätskriterien der WHO für gute und wirksame Probiotika sind: Sicherheit, Stabilität, Aktivität, Vermehrungsfähigkeit, Immunologische Relevanz, Multistrain-Formulierung, Überleben im Gastrointestinaltrakt. Zu empfehlen ist vor dem Kauf von Probiotika eine bioenergetische Testung auf Resonanz = Wirksamkeit.

    Die Versprechungen der Firma Seres sind für mich fragwürdig. Denn als guter naturheilkundlicher Therapeut weiß man um die Wichtigkeit des „Darmmilieus“ Bescheid. Dieses Thema wird jedoch durch die Firma Seres in diesem Artikel nicht aufgegriffen. Ohne richtigem Darmmilieu, das von der korrekten Funktion der Verdauungsorgane und der Darmenzymstruktur abhängt, haben die physiologischen Darmbakterien schlechte Chancen sich zu vermehren. Bei einem geschädigten Darmmilieu entstehen Fuselalkohole (Gährungsmilieu) und/oder Eiweißfäulnisstoffe (Fäulnismilieu) die höchstgradig giftig sind und nicht nur die Darmbakterien schädigen, sondern auch Leber, die Nieren und den gesamten Säuren-Basen Haushalt und Mineralhaushalt.

    Deshalb ist es vor der sinnvollen Einnahme von Probiotika empfehlenswert, das Darmmilieu durch geeignete Ernährungsrichtlinien in Ordnung zu bringen, die Darmschleimhaut aufzubauen, damit sich die guten Bakterien auch festsetzen können. Und dann getestete Probiotika und Präbiotika einzunehmen.
    Alles Gute
    Robert Haas

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