Heißhunger auf Süßes? Hilfe durch E. coli Bakterien

Heißhunger auf Süßes? E.colis können helfen

Heißhunger auf Süßes – ein Problem, mit dem fast jeder dann und wann zu kämpfen hat. Insbesondere bei geistig anspruchsvollen Tätigkeiten lässt uns unser Gehirn auf schnell verwertbare Glukose-Lieferanten zurück greifen. Wer mit Willensstärke dagegen setzt, bezahlt das mit noch mehr Heißhunger und schwächerer Konzentration, wie Experimente gezeigt haben: Denn die Impulskontrolle verbraucht ebenfalls Glukose.

Eine neue Studie aus den USA hat ergeben, dass kleine, entgiftete Mengen des Bakteriums E. coli im Darm von Mäusen das Proteohormon Leptin erhöhen – auch bekannt als Sättigungshormon. Eine Lösung für unsere Heißhunger-Attacken auf Süßigkeiten?

In sieben Tagen zu weniger Verlangen nach Süßem

Fünfzehn Stunden, nachdem eine kleine Dosis E. coli in den Darm injiziert wurde, stieg der Level des Leptins. Innerhalb von nur sieben Tagen reduzieren sich die Rezeptoren auf der Zunge, die für „Süß“ verantwortlich sind. Und mit den Rezeptoren verschwindet ganz nebenbei auch der Appetit auf Süßes, so Dr. Lynnette McCluskey, Neurowissenschaftlerin an der Medizinischen Hochschule in Augusta, Georgia.

Und obwohl die Rezeptoren für salzige und andere Geschmacksstoffe von der Veränderung unberührt blieben, zeigten die Mäuse keinerlei Ersatzverlangen – weder nach Süßem, noch nach anderem, und blieben während der Tests bei guter Gesundheit.

Funktionsweise wie bei Impfstoffen

Die äußere Membran gram-negativer Bakterien, zu denen auch das E. coli zählt, besteht teilweise aus Lipopolysacchariden – kompliziertes Wort, deshalb kurz LPS. Sie sind Teil einer doppelwandigen Zellmembran, die zur Abgrenzung des Zellinneren nach außen dient. Zerfallen die Bakterien, kann das LPS giftig und damit gefährlich für den menschlichen Körper werden.

Die entgiftete Version des LPS ist ein alter Bekannter in der Forschung: Weil es schützende Reaktionen bei Menschen und Tieren auslöst, werden entgiftete Varianten aus E. coli und anderen Bakterien des Darmtrakts extrahiert und häufig in Impfstoffen verwendet, um das Immunsystem zu stärken.

Diese Eigenschaft haben sich nun die amerikanischen Wissenschaftler mit einem ganz neuen Ansatz zunutze gemacht: „Auf unserem Forschungsgebiet geht es darum, auf welche Weise Hormone und andere Faktoren das Geschmackssystem beeinflussen, und zwar schon angefangen bei den Geschmacksknospen, und damit zu Übergewichtigkeit beitragen“, sagt McCluskey.

„Den Geschmack zu identifizieren, festzustellen ob er süß ist oder nicht, ist der erste Schritt der Nahrungsaufnahme. Wir wollten herausfinden, was mit dem Geschmackssystem passiert, wenn man die Darmflora verändert.“

Zufallsfund mit guten Aussichten im Kampf gegen den Heißhunger auf Süßes

Was den Forschern in Atlanta gelungen ist, ist wohl mehr oder weniger ein Glücksgriff. Es beweist jedoch, dass schon ein kleiner Eingriff in die Bakterienvielfalt des Darmtrakts die Geschmacksaufnahme nachhaltig verändern kann. Eines Tages könnte diese Entdeckung dabei helfen, den ungesunden Genuss von Süßigkeiten zu reduzieren.

„Unser Test war sehr selektiv und dabei erstaunlich effektiv“, erklärt McCluskey. Unser Geschmackssinn hat sich hin zu einer erstaunlichen Effektivität entwickelt. Innerhalb von Sekunden entscheidet das Gehirn, ob das, was wir in den Mund stecken, uns Energie gibt oder uns fertigmacht. Waren Süßigkeiten mit hohem Energiegehalt früher wichtig, um einen Tag harter körperlicher Arbeit zu überstehen, können sie im heutigen Leben, das von sitzenden Tätigkeiten bestimmt ist, das genaue Gegenteil bewirken: Wo kaloriengeladene Süßigkeiten immer zur Hand sind, aber keine Bewegung im Spiel ist, ist auch das Übergewicht nicht weit.

Die Diät der Zukunft?

Das ist natürlich alles noch Zukunftsmusik. Aber wenn die Forscher Recht behalten und weitere Studien das Ergebnis McCluskeys bestätigen, dann könnte das kleine bisschen E. coli  eines Tages der Gier nach Süßigkeiten Einhalt gebieten.

Denn obwohl man das E. coli  häufig mit Krankheit verbindet, sind es doch nur wenige Bestandteile des Bakteriums, die uns krank machen können. Außerdem ist es ein fester Bestandteil der Darmflora, die bei der Verdauung hilft. Die Atlanta-Studie scheint allerdings der erste Versuch zu sein, in dem der Einfluss des E. coli auf den Geschmack untersucht wurde.

Sollte die Behandlung mit LPS aus dem E. coli je eine Option für menschliche Diäten werden, so ist mit einer Langzeitbehandlung zu rechnen: Innerhalb einer Woche nach dem Absetzen des LPS kehrte der Heißhunger auf Süßes wieder zurück, nachdem sich die Geschmacksknospen wieder erholt hatten.

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