Dieses Startup vermittelt experimentelle Medikamente an Schwerstkranke

Der Anlass zur Gründung dieses Unternehmens könnte persönlicher kaum sein: eine Krebsdiagnose für den Vater, und noch sechs Monate zu leben. Der Sohn, selbst Arzt und in einem Biotech-Unternehmen tätig, erfuhr von einer vielversprechenden Therapie, die sich allerdings noch in Erprobung befand. Doch für die Teilnahme an dem Programm musste ein zeitaufwändiges Genehmigungsverfahren durchlaufen werden.

Monate später, als die Bewilligung eintreffen sollte, war der Vater schon gestorben.

Das Erlebnis hatte Ronald Brus, dem Gründer des niederländischen Startups myTomorrows gezeigt, dass man auch mit den besten Connections zu viel Zeit und Energie braucht, um als Patient ein noch nicht zugelassenes Medikament zu erhalten. Selbst wenn die Tests schon weit fortgeschritten und das Risiko gering war. Es ist auch kaum vorstellbar, dass ein Arzt mit einem Zeitkontingent von 15 Minuten pro (Kassen-)Patient die Arbeit auf sich nimmt, einen solchen Prozess zu betreuen.

“Es kann 15 Jahre dauern bis ein Medikament zugelassen wird, aber es gibt oft schon nach 8 Jahren recht gute Hinweise darauf, ob es funktioniert oder nicht. Wir glauben dass es unethisch ist, Patienten dieses Medikament vorzuenthalten.” Ronald Brus, myTomorrows

Genau hier beginnt die Idee hinter dem Startup „myTomorrows“: Patienten mit schwersten Krankheiten an Medikamente im Erprobungsstadium zu vermitteln und den ganzen Papierkram zu übernehmen, bis hin zur Zustellung der Medikamente an die Klinik, die den Patienten betreut. Das entlastet den Patienten, den betreuenden Arzt, aber auch den Pharmahersteller.

Forschungsbeschleuniger

Insgesamt soll das dazu führen, dass mehr Menschen, die keine andere Option mehr haben, Zugang zu solchen Therapien bekommen. Ein erwünschter Nebeneffekt kann sein, dass der Zulassungsprozess beschleunigt wird, weil in kürzerer Zeit mehr validierte Ergebnisse zustande kommen als auf dem bislang üblichen Weg. Ein weiterer Nebeneffekt dürfte manchem Pharmahersteller gar nicht so recht sein: Denn kleine Biotech-Unternehmen können auf diesem Weg zu deutlich geringeren Kosten und mit weniger zeitlichem Aufwand klinische Studien durchführen, was sich sonst nur die Schwergewichte der Branche leisten können. Im Gegenzug geben sie einen Teil des Gewinns ab, wenn das Medikament dann seine Zulassung erhält.

Insgesamt also könnte diese Idee für mehr Wettbewerb und eine beschleunigtere Forschung sorgen.

Eine Suchmaschine für experimentelle Therapien

Bildschirmfoto 2015-05-28 um 12.15.00Die Website und eine dazu gehörige App sind wie eine Suchmaschine, die in derzeit rund 50.000 klinischen Studien und 200 ‚Early Access‘-Programmen sucht. Je nach Therapieform ist der Standort wichtig (bei chirurgischen Interventionen, wie sie z.B. bei ALS erforderlich sind), bei anderen geht es nur um das Medikament, das versendet werden kann. Wer hier seine E-Mail-Adresse einträgt, kann sich bei neuen Studien und Programmen zu einem bestimmten Krankheitsbild benachrichtigen lassen.

70 Klinische Studien zu Chronisch enzündlichen Darmkrankheiten (Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa)

Auch wenn sich das Gros der vermittelten Programme um tödliche Krankheiten wie Krebs, ALS, u.a. dreht, ergibt eine Suche nach „Bowel Disease“ rund 70 Studien, die sich um verschiedene Aspekte der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen kümmern, z.B.

Doch leider gibt es in dem Feld kein ‚Early Access‘-Programm, für das man sich anmelden könnte. Über klinische Studien wird informiert, aber es werden keine Teilnehmer vermittelt. Da müsste man also auf eigene Faust Kontakt aufnehmen.

Das Internet verändert alles – nur die Gesetzgebung (noch) nicht.

Es ist relativ einfach geworden, sich über das Internet über neue Formen der Behandlung zu informieren. Aber selbst ein Patient, der bereits alle vorhandenen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, scheitert an aufwändigen, durch die Gesetzgebung bedingten Antragsformalitäten. Die Anwälte von myTomorrows haben sich mehrere Jahre mit den Gesetzen in europäischen Ländern befasst, um heute in der Lage zu sein, einen schnellen und weitgehend automatisierten Genehmigungsprozess bereitstellen zu können.

Und sie hoffen, dass sich die Gesetzgebung aus der Vor-Internet-Ära in naher Zukunft so weit anpasst, dass Betroffene nicht nur von einer potenziell rettenden Behandlungsmethode erfahren, sondern sie auch schnellstmöglich in Anspruch nehmen können.

Denn Zeit ist Leben.

Kommentieren