Darmbakterien entscheiden über Asthma-Risiko

Die Anzeichen dafür, dass bei der Entwicklung von Asthma Bakterien mit im Spiel sein könnten, haben sich in der medizinischen Forschung längst verdichtet. Jetzt gibt eine neue Studie der University of British Columbia in Vancouver, Kanada, dieser Theorie neuen Auftrieb. Forscher haben herausgefunden, dass Kinder, die im Alter von drei Monaten nur geringe Mengen von vier spezifischen Bakterientypen im Blut haben, ein erhöhtes Risiko aufweisen, im späteren Leben Asthma zu entwickeln.

Zusammenhang zwischen fehlenden Darmbakterien bei Kleinkindern und Asthma

Die Wissenschaftler sammelten Stuhlproben von über 300 Kindern im Alter von drei und 12 Monaten und trugen Angaben über ihren Gesundheitszustand sowie Allergien mit einem, drei und fünf Jahren zusammen. In der Auswertung der Proben fanden sie einen statistisch äußerst signifikanten Zusammenhang zwischen dem Fehlen von bestimmten Bakterienarten und dem Potenzial für die Entwicklung von Asthma.

Diese Studie könnte Ärzten dabei helfen, gefährdete Kinder schon in einem frühen Alter zu identifizieren. In der Weiterentwicklung der Studie besteht u.U. sogar die Möglichkeit, ein Probiotikum zu entwickeln, das die Krankheit gänzlich verhindern könnte, wenn der Mangel rechtzeitig erkannt wird.

Volkskrankheit Asthma – im schlimmsten Fall tödlich

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Asthma-Anfall (via Wikimedia)

Asthma ist ein wachsendes Problem unserer Gesellschaft: Mehr und mehr Erwachsene und Kinder erhalten im Laufe ihres Lebens die Diagnose Asthma, eine Krankheit, die – allein in Großbritannien – immer noch rund drei Menschen pro Tag tötet. Die Ursachen hinter der Krankheit sind trotz intensiver Forschung nach wie vor lückenhaft.

Neben der genetischen Veranlagung spielen viele Einflüsse der modernen Lebensweise der westlichen Länder eine Rolle bei der Entstehung von Asthma: Umwelteinflüsse wie Feinstaub, ungesunde Ernährung und der fehlende Kontakt zu Bakterien beeinflussen das Erkrankungsrisiko.

Auf den Zeitpunkt kommt es an: Schon die ersten Lebensmonate entscheiden über Asthma-Risiko

Die neue Studie, die im Science Translational Medicine veröffentlicht wurde, stützt sich auf die Untersuchung von vier Bakterien: Faecalibacterium, Lachnospira, Veillonella und Rothia. Babys, die nur, wenn überhaupt, geringe Mengen dieser Mikroorganismen im Darm haben, sind im späteren Leben eher gefährdet als andere, an Asthma zu erkranken.

Es ist aber nicht nur die An- oder Abwesenheit des Bakteriums, sondern vor allem der Zeitpunkt, der von Bedeutung ist. Während die Darmflora noch im Alter von drei Monaten recht unterschiedlich beschaffen war, sahen sich die Mikrobiome aller Babys, die ein Jahr alt waren, in der Studie ziemlich ähnlich. Die Wissenschaftler vermuten nun, dass es bei der Erkennung des Asthma-Risikos um eine Frage der richtigen Bakterien zum richtigen Zeitpunkt handeln könnte. Das kritische Fenster für die Entstehung des Asthma-Risikos liegt demnach bei einem Lebensalter von nur wenigen Monaten.

Asthma stoppen durch künstliches Zuführen von Bakterien?

In weiteren Experimenten untersuchten die Wissenschaftler die Auswirkungen der Bakterien auf Mäuse, die in einem bakterienfreien Umfeld aufgewachsen waren. Diesen Mäusen führten die Forscher eine Bakterienmischung ohne die vier spezifischen Bakterien zu. Das Ergebnis stärkt die bisherigen Erkenntnisse und Vermutungen der Forschung: Die Mäuse entwickelten entzündete Lungen, die auf Asthma hinwiesen. Als die Wissenschaftler den Mäusen die fehlenden Bakterien nachträglich verabreichten, begannen die Symptome der Krankheit wieder zu verschwinden.

Absage an die moderne, bakterienbefreite Welt

„Seit einigen Jahren wird die Aufnahme von Mikroben mit einem Schutz gegen Asthma in Verbindung gebracht. Es ist das klassische Beispiel, auf einem Bauernhof aufzuwachsen und Rohmilch zu trinken,“ erklärt Dr. Benjamin Marsland, der nicht an der Studie beteiligt war, BBC News. „Diese neue Studie stärkt diese Beobachtungen und unterstützt das Konzept, dass es bestimmte Entwicklungsfenster im frühen Leben gibt, wo es wirklich wichtig ist, die richtigen Signale zu senden und zu erhalten.“

Die Studie zeigt außerdem die Möglichkeit der Entwicklung eines probiotischen Mittels auf, das die vier Mikroorganismen, die scheinbar so weichenstellende Eigenschaften haben, enthält. Dieses Mittel könnte Babys, die als Risikopatienten eingeschätzt werden, verabreicht werden.

Bakterien-„Impfung“ gegen Asthma?

Dennoch betonen die Forscher, dass obwohl dies hypothetisch möglich sei, immer noch unklar bleibt, ob das an Mäusen getestete Verfahren im wirklichen Leben überhaupt funktioniert. Möglicherweise können Kinder einmal mit Bakterien gegen Asthma „geimpft“ werden. Das Zeitfenster, in dem diese Impfung stattfinden könnte, umfasst aber nicht viel mehr als knappe 100 Tage.

Viel wahrscheinlicher ist daher, dass die Ärzte in Zukunft Säuglinge auf die An- oder Abwesenheit dieser Bakterien testen können, um dann die Entwicklung der Kinder, die niedrigere Zahlen der Mikroorganismen aufweisen, kontrolliert zu überwachen.

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