Wer hat Angst vorm bösen Brot?

Der Hype ist da, und mit ihm eine veritable Vertrauenskrise. Es scheint, als würde sich der eigene Körper, der eigene Darm gegen vieles zur Wehr setzen, was wir zu uns nehmen. Und das in letzter Zeit immer mehr. Was ist da los? Oder: Was ist mit mir los?

Buchveröffentlichungen wie „Weizenwampe“ von William Davis (2013) oder „Dumm wie Brot“ von David Perlmutter (2014) schüren zum Beispiel mit gewagten Thesen die Angst, dass Weizen in der Ernährung geradezu tödlich ist, dass „gezüchtetes Brot“ das Gehirn langfristig verändert.

Manch ein eigentlich beschwerdefreier Leser stellt unter dem Eindruck solcher ‚Erkenntnisse‘ seine Ernährung um – prophylaktisch, versteht sich.

Die Lebensmittelindustrie steigert derweil Ihre Umsätze bei Weizen-, Gluten-, Glutamat-, und Laktosefreien Lebensmitteln. Selbst Produkte, die unmöglich Laktose enthalten können, werden gerne mit ‚laktosefrei‘ etikettiert.

Ist Weizen wirklich für alle ein Problem?

Weizenallergien und Zöliakie (chronische Erkrankung der Dünndarmschleimhaut, bedingt durch Glutenunverträglichkeit) treten bei maximal je 1% der Bevölkerung auf. Andere Lebensmittelallergien (3% der deutschen Bevölkerung) treten deutlich seltener auf, als viele glauben.

Die Glutensensitivität tritt wesentlich seltener auf als in Internetforen gerne beschrieben wird. Zwar ist die exakte Quote nicht genau bekannt, aber sie dürfte weit unter 5% der Bevölkerung liegen. Eine vorübergehende Glutensensitivität (keine unmittelbare ernsthafte Krankheit) kann zum Beispiel durch eine Umstellung der Ernährung (Stichwort: FODMAP-arme Diät) verschwinden. Zuvor sollte man allerdings stets andere Erkrankungen vom Arzt ausschließen lassen.

Die Angst geht herum:
Lebensmittel seien mit zu vielen Zusatzstoffen versehen.
Glutamat könne uns vergiften.

Sind Zusatzstoffe in Lebensmitteln gefährlich?

Wie die Autoren u.a. in Spektrum der Wissenschaft berichten, sind heute im Vergleich zu den letzten 15-20 Jahren erheblich weniger „Giftstoffe“ (wie zum Beispiel Pestizide u.a.) in unseren Lebensmitteln enthalten. Lebensmittel werden zum Beispiel auch besser gelagert, bis sie den Endverbraucher erreichen. Nur, so die Autoren, das Internet sorge für andere Schlagzeilen, die schließlich Menschen mit leichten Darmbeschwerden so lange sensibilisieren, bis schließlich eine Lebensmittelintoleanz herauskommen muss.

Dies belegen die Autoren sehr gut mit bekannten wissenschaftlichen Studien. Es wird vor einer „Google-Manie“ gewarnt.

Alles Einbildung? Und was, wenn nicht?

Wer immer wieder über Darmbeschwerden wie Blähungen, Darmkrämpfe, Durchfall klagt, sollte zum Arzt.

Denn es kann tatsächlich z.B. eine Laktoseintoleranz oder Fruktoseintoleranz vorliegen. Diese sind in der Bevölkerung häufiger vertreten (Laktoseintoleranz ca. 20-25%, Fruktoseintoleranz 5-10%). Dann und nur dann müssen auch bestimmte Lebensmittel reduziert werden, je nach Aktivität der eingeschränkten Enzymkapazität bei diesen Intoleranzen.

Die Zöliakie kann meist durch den Bluttest Transglutaminase IGA (wenn kein angeborender IGA Mangel im Blut besteht) einfach abgeklärt werden. Die Histaminintoleranz als eigenständige Krankheit ist sehr umstritten – eine Mastocytose allerdings muss hierbei ausgeschlossen werden.

Fazit

In unserer schnelllebigen Zeit besteht eher eine Lebensmittel-Unverträglichkeits-Manie. Hierzu liegen bereits seriöse wissenschaftliche Studien vor. Viel zu wenig Gedanken machen wir uns dagegen darum, wann und wie wir essen (zu spät, zu viel, zu schnell), und überfordern damit den Darm: „Gut gekaut ist halb verdaut“.

Hektische Tagesabläufe wirken sich ebenfalls negativ aus: der Darm mit seinen Milliarden von Nervenfasern („The Little Brain“) reagiert stark auf Stress. Die Folge: Darmkrämpfe und Blähungen.

Bevor wir auf das Essen als Übeltäter zeigen, lohnt sich also durchaus der sprichwörtliche Blick in den Spiegel.

Quellen:

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